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Die Krise der Wissenschaft und Akademia


Universitäten zählen zu den vertrauenswürdigsten Institutionen in westlichen Gesellschaften – ein Grund, warum einige Leser diesen Essay als übertrieben oder gar verschwörungstheoretisch auffassen könnten. Doch die traurige Realität ist, dass das Vertrauen in Wissenschaft und akademische Institutionen zunehmend erschüttert wird. Insgesamt lassen sich drei Hauptgründe identifizieren, warum eine gesunde Skepsis gegenüber Wissenschaft und Akademia angebracht ist: (1) technische und wissenschaftliche Fehler, (2) Korruption und (3) ein kompliziertes Verhältnis zwischen Wissenschaft und Journalismus.

Technische und wissenschaftliche Fehler

Die Analyse der Corona-Krise in wissenschaftlichen Fachzeitschriften und den Medien basierte auf technischen und wissenschaftlichen Fehlern. Doch technische und wissenschaftliche Fehler waren nicht einzigartig für die C-Krise. Im Gegenteil, technische Fehler sind ein weit verbreitetes Phänomen in Wissenschaft und Akademia.

Im Jahr 2005 veröffentlichte der renommierte Stanford-Wissenschaftler und Epidemiologe Prof. John Ioannidis, einer der prominentesten Kritiker von Lockdown-Maßnahmen, eine weithin bekannte Arbeit mit dem Titel Why Most Published Research Findings Are False. Laut Ioannidis liegt der Grund dafür, dass die meisten Forschungsergebnisse falsch sind, in Datenverzerrungen. Die statistischen Berechnungen sind laut Ioannidis in der Regel zwar korrekt, doch die Daten basieren nicht auf zufälligen Stichproben, weshalb die Verteilung der Elemente in den Daten nicht die Verteilung der Elemente in der Grundgesamtheit widerspiegelt.

Ein weiteres Problem ist die Multikollinearität. Wenn Forscher ein Regressionsmodell entwickeln, um erklärende Variablen zu suchen, müssen sie sicherstellen, dass die Input-Variablen nicht miteinander korrelieren, da der Zweck der Regressionsmethode darin besteht, den unabhängigen Effekt einer Variablen zu schätzen. Wenn jedoch die unabhängigen Variablen miteinander korrelieren, wäre der Effekt auf die abhängige Variable nicht unabhängig.

Solche wissenschaftlichen Fehler sind in quantitativen Studien weit verbreitet und können in einigen Fällen schwerwiegende Konsequenzen für Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft haben. Meinungsforscher beispielsweise, die das Wahlverhalten und das Ergebnis einer Wahl beeinflussen können, verwenden oft verzerrte Daten. Ein weiteres Beispiel für einen statistischen Fehler, der zu erheblichen Schäden im Finanzsektor führte, ist die Value at Risk Formel, die davon ausgeht, dass Preisänderungen an Finanzmärkten normalverteilt sind, obwohl die empirischen Daten einer Pareto-Verteilung folgen.

Im Verlauf der Wissenschaftsgeschichte haben technologische Fortschritte Experimente und Fehlererkennung verbessert. Mit zunehmender Genauigkeit von Messinstrumenten und der Offenlegung größerer Variationen von Naturkonstanten stellten sich vorherrschende Theorien als falsch heraus. Die Konsequenz war, dass alte Paradigmen und Theorien von Neuen abgelöst wurden, die die Daten genauer erklärten. Zum Beispiel konnte die Newtonsche Mechanik nicht erklären, was Physiker auf Teilchenebene beobachteten, weshalb es durch die Quantenmechanik ersetzt wurde.

Neben der Technologie war ein weiterer grundlegender Aspekt des wissenschaftlichen Fortschritts der Prozess von Versuch und Irrtum, der die Grenzen unseres Wissens erweiterte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Positivismus das dominante Paradigma in Wissenschaft und Akademia. Doch wie sich herausstellte, gibt es nicht nur weiße Schwäne. Das Prinzip der Falsifikation, das von Sir Karl Popper formuliert wurde, ersetzte den Positivismus in der akademischen Arena und wurde zum Kern des kritischen Rationalismus und der modernen Erkenntnistheorie. In der Mathematik widerlegte der österreichische Mathematiker Kurt Gödel ein für alle Mal Bertrand Russells Idee, dass Mathematik ein logisch abgeschlossenes System sei, das unabhängig von menschlicher Determinierung ist. In der Ära der Quantenmechanik hat sich die Physik vom deterministischen Denken entfernt, da die Beobachtungen auf Quantenebene kontraintuitiv sind. Der logische Positivismus wurde durch Wahrscheinlichkeiten ersetzt.

Ein Hauptproblem heute ist das Fehlen epistemologischer Debatten, insofern als empirische Forschung von Theorie getrennt wurde. In der Wirtschaftswissenschaft dominiert beispielsweise weiterhin der Empirismus, während Paradigmen wie die Praxeologie, die einen rein theoretischen Ansatz verfolgen, vollständig ignoriert und vernachlässigt werden.

Der Empirismus ist das dominante Paradigma in Wissenschaft, aber auch bei Technologieunternehmen im Silicon Valley. Im Jahr 2008 veröffentlichte Chris Anderson einen kontroversen Artikel in Wired mit dem Titel The End of Theory, in dem er argumentierte, dass mit dem Aufkommen des Big-Data-Paradigmas Theorien obsolet geworden seien. Laut Anderson interessieren sich Google-Algorithmen nicht für Erklärungen und Kausalzusammenhänge, sie verwenden einfach Korrelationen. Doch ist der Hype um Google-Algorithmen berechtigt?

In einem Artikel in Nature aus dem Jahr 2009 argumentierten Google-Forscher, dass ihr Algorithmus die Dynamik von Grippewellen vorhersagen könne, indem er Korrelationen in Google-Suchanfragen finde. Wie sich jedoch herausstellte, funktionierten ihre Grippeprognosen nicht, weshalb Google das Projekt stillschweigend einstellte. Und das war nicht das einzige gescheiterte Google-Projekt in diesem Bereich.

In quantitativen Wissenschaften, aber auch in der medizinischen Forschung, werden Korrelationen oft genutzt, um theoretische Schlussfolgerungen zu ziehen. Wie eine wichtige und weit verbreitete Regel jedoch besagt: Korrelation bedeutet nicht Kausalität – ein Prinzip, das in der heutigen akademischen Praxis oft ignoriert wird. Eine Korrelation zwischen Variablen kann unbekannte Zwischenvariablen haben oder die korrelierenden Variablen können zwei unabhängige Ergebnisse derselben Ursache darstellen. Scheinzusammenhänge sind ein weit verbreitetes Phänomen. Nur weil eine höhere Anzahl an Störchen mit einer höheren Geburtenrate in ländlichen Gebieten korreliert, macht eine theoretische Verbindung zwischen beiden Variablen keinen Sinn.

Aber was kann das Auftreten technischer und wissenschaftlicher Fehler mindern? Wissenschaftlicher Fortschritt hängt von Pluralismus ab, um Fehler aufzudecken. Dies umfasst konkurrierende Theorien, die miteinander argumentieren, akzeptiert oder abgelehnt werden durch einen Prozess der natürlichen Selektion, aber auch die Notwendigkeit mehrerer Perspektiven und Methodologien, um die Wahrheit zu finden und komplexe Probleme zu lösen. Das Feld der künstlichen Intelligenz zum Beispiel hat Konzepte nicht nur aus der Logik, Mathematik und dem Ingenieurwesen übernommen, sondern auch aus Wirtschaft, Philosophie, Psychologie oder Linguistik.

Selbst wenn Wissenschaftler alle Konzepte ihres eigenen Fachgebiets kennen, kennen sie möglicherweise keine Theorien aus anderen Disziplinen. Die moderne Akademia mit ihrem hochspezialisierten Expertenwissen ist auf inter- oder multidisziplinäre Forschung angewiesen, um Verbindungen zwischen verschiedenen Bereichen herzustellen. Werden komplexe und multidimensionale Probleme nicht von multidisziplinären Teams mit unterschiedlichen Ansichten, Methoden und Erfahrungen gelöst, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Probleme ungelöst bleiben oder zu Fehlern führen.

Institutionalisierte Mechanismen, die wissenschaftliche Fehler vermeiden sollen, sind das Qualitätsmanagement und der Begutachtungsprozess. Aber Begutachtungsprozesse benötigen Zeit und können aufgrund menschlicher Fehler der Gutachter oder eines fehlerhaften Review-Prozesses scheitern. Ein weiteres Problem akademischer Studien ist der Mangel an Transparenz der Daten – ein Problem, das die Zeitschrift Nature als Reproducability Crisis bezeichnete. Im Gegensatz zu Veröffentlichungen in Disziplinen wie IT, wo Daten oft auf Plattformen wie GitHub öffentlich zugänglich sind, leiden viele andere Disziplinen unter verschlossenen Daten, was es schwierig macht, Analysen zu reproduzieren und potenzielle Verzerrungen zu bewerten.

Korruption in Wissenschaft und Akademia

Sechs Monate nachdem der Politologe Michael J. LaCour seine Studie When contact changes minds: An experiment on transmission of support for gay equality in der Zeitschrift Science eingereicht hatte, musste das Editorial Board den Artikel zurückziehen, da LaCour falsche Angaben zur Finanzierung machte und wissenschaftlichen Betrug begang. In diesem Fall wurde der Betrug aufgedeckt und der Artikel zurückgezogen, doch es kann angenommen werden, dass Korruption in vielen anderen Fällen unentdeckt bleibt.

Im Jahr 2011 veröffentlichten drei Psychologieprofessoren einen Artikel mit dem Titel False-Positive Psychology, der eine kontroverse Debatte innerhalb der Psychologie-Community über die Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit psychologischer Studien auslöste. Ähnlich wie die sogenannte Bellford-Verteilung, die zur Aufdeckung von Betrug in der Buchhaltung genutzt wird, entwickelten die Autoren einen einfachen Algorithmus namens p-curve, dessen Zweck es ist, Strategien des p-hackings zu identifizieren – eine Methode, bei der Forscher den Signifikanzwert ihrer Korrelationen manipulieren.

Betrug und Manipulation haben in der Akademia Fuß gefasst, weil Wissenschaftler unter Druck arbeiten. Studien ohne Ergebnisse werden nicht veröffentlicht, und wenn die Forschung keine Ergebnisse liefert, verlieren Wissenschaftler ihre Finanzierung. Viele Forscher konzentrieren sich mehr auf die Quantität der wissenschaftlichen Veröffentlichungen als auf deren Qualität. Gleichzeitig ist es schwieriger geworden, in hochkarätigen Zeitschriften zu veröffentlichen, weshalb eine Vielzahl von Fachzeitschriften mit niedrigeren Qualitätsstandards entstanden ist.

Was noch problematischer ist als die Finanzierung – insbesondere in Disziplinen außerhalb der Naturwissenschaften und Technik – ist die politische Einflussnahme. Regierungsgelder werden oft auf Themen und Akademiker gelenkt, die die Interessen des Establishments unterstützen, wie Klimawandel, Virusforschung, Genderfragen oder Masseneinwanderung – Themen, die es Politikern und Regierungen ermöglichen, ihre Kontrolle über die Bevölkerung auszuweiten.

Regierungsgelder dienen als eine Art Gatekeeper, durch die diejenigen, die nicht die Meinung der politischen Elite teilen, von akademischen Institutionen ausgeschlossen werden. Ein prominentes Beispiel ist der brillante Ökonom und Philosoph Ludwig von Mises, dessen Skepsis gegenüber dem politischen Establishment ihn daran hinderte, eine Professur an einer angesehenen Universität zu erhalten.

Heute nutzen Regierungen oder Unternehmen ihre Verbindungen zu akademischen Institutionen, um mehr oder weniger die Forschung „zu kaufen“, die ihre Ansichten unterstützt. Ähnliches kann bei Sachverständigen vor Gericht beobachtet werden. Grundsätzlich ist an dieser Praxis nichts auszusetzen, da gerichtliche oder politische Entscheidungen auf Expertenwissen basieren können. Doch wenn Wissenschaftler zur Politikgestaltung beitragen, verlassen sie zwangsläufig den Bereich der Wissenschaft. Politische Entscheidungsfindung als „Wissenschaft“ zu bezeichnen, ist stark irreführend. Wissenschaft zielt darauf ab, die Wahrheit zu finden, und nicht darauf, politische Interessen zu bedienen. Es gibt keine Wissenschaft, die sich damit beschäftigt, wie etwas sein soll. 

Eine der größten Herausforderungen in der akademischen Welt ist wahrscheinlich, dass die Korruption auch den akademischen Diskurs und, genauer gesagt, die Meinungsfreiheit gekapert hat – ein Prinzip, das eine mächtige Waffe gegen menschliche Fehler und Korruption darstellt. Wenn Einzelpersonen sich nicht mehr frei äußern können, haben Regierungen oder bestimmte ideologische Bewegungen die Macht, einseitig zu bestimmen, was richtig und was falsch ist.

Heutzutage wird die Meinungsfreiheit zunehmend durch radikale Ideologien untergraben, die den Campus dominieren. Während meines Studiums an der University of Edinburgh erlebte ich beispielsweise persönlich, wie Safe-Space-Richtlinien ausgenutzt wurden, um unpopuläre Positionen zu diskriminieren. Die Studetenvertretung organisierte eine Sitzung, um die Forderungen der BDS-Bewegung zu unterstützen – Richtlinien, die darauf abzielten, israelische Produkte und die akademische Zusammenarbeit mit israelischen Wissenschaftlern zu boykottieren. Nachdem Studenten, die den BDS-Forderungen widersprachen, ihre Opposition signalisierten, brachten BDS-Unterstützer einen Antrag ein, der auf Safe-Space-Richtlinien basierte, um die Studenten aus dem Saal zu entfernen. The Telegraph berichtete sogar über diesen Vorfall.

Im Kontext der Corona-Krise wurden die Angriffe auf die Meinungsfreiheit noch heftiger. Die Medien schränkten den Raum für das, was gesagt werden kann und was nicht gesagt werden darf, erheblich ein und diskreditierten kritische Perspektiven, indem sie sie als Verschwörungstheoretiker oder Faschisten bezeichneten – eine Strategie, die traditionell von autoritären Regimen angewandt wird.

Wissenschaft und Journalismus: Es ist kompliziert

In den vergangenen Jahren standen Wissenschaftsjournalisten vor einer schwierigen Herausforderungen. Sie sahen ihre Hauptaufgabe darin, die ständig wachsende Komplexität so weit zu reduzieren, dass sie für den durchschnittlichen Leser verständlich ist. Dadurch neigt der Wissenschaftsjournalismus dazu, die Komplexität von Problemen zu verschleiern.

Hinzu kommt, dass Journalisten oft Zeit, Ressourcen oder die intellektuellen Fähigkeiten fehlen, um wissenschaftliche Fehler zu erkennen, technische Details zu verstehen oder einzelne Informationsfragmente in einen breiteren theoretischen Kontext zu setzen. Es wäre nicht überraschend, wenn Wissenschaftsjournalisten sich eher auf die Autorität eines Verlags oder eines Wissenschaftlers verlassen, anstatt auf ihr eigenes wissenschaftliches Urteilsvermögen.

Doch menschliche Fehler sind nicht der einzige Grund, warum die Beziehung zwischen Wissenschaft und Journalismus kompliziert geworden ist. Ein weiteres Problem ist der Sensationalismus, der außer Kontrolle geraten und zu Hype und Panik führen kann. Journalisten haben einen natürlichen Anreiz, entweder vielversprechende wissenschaftliche Ergebnisse zu übertreiben oder sie dramatisch darzustellen. Behauptungen werden häufig mit Argumenten verwechselt, die durch tatsächliche empirische Beweise gestützt sind, und die Auswirkungen einzelner Studien auf die Wissensbildung werden oft überschätzt.

Im Jahr 2015 veröffentlichten drei niederländische Biomediziner eine vielzitierte Studie, in der sie die Häufigkeit von Wörtern wie „robust“, „neu“, „beispiellos“ und „innovativ“ in medizinischen Fachzeitschriften zwischen 1974 und 2014 untersuchten. Wie die Studie zeigte, verwenden Wissenschaftler zunehmend optimistischere Ausdrücke, um ihre Ergebnisse zu beschreiben, und neigen dazu, ihre eigene Forschung mehr zu überhöhen als noch vor einigen Jahren. Wissenschaftlicher Hype, kombiniert mit mediengetriebenem Sensationalismus, kann schnell zu weit hergeholten Schlussfolgerungen führen. Die Entwicklung wissenschaftlichen Wissens ist jedoch ein langsamer und dezentraler Prozess, der mit der modernen Nachrichten-Ticker-Blase unvereinbar ist.

Wissenschaftsjournalisten haben es in großem Maße versäumt, als notwendiges Korrektiv gegen Fehler und Korruption zu dienen. Sie haben es versäumt, die Öffentlichkeit über die Krise der Wissenschaft und der Akademia aufzuklären, und haben stattdessen sogar zu Hype und Panik sowie zur Unterdrückung kritischer Ansichten beigetragen.

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