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Resilience Engineering und was es für die Zukunft von Produktionssystemen bedeutet


Die Covid-19-Pandemie hat eine grundlegende Schwäche moderner Lieferketten und Produktionssysteme offengelegt: einen dauerhaften Trade-Off zwischen Effizienz und Resilienz.

In den vergangenen Jahrzehnten haben das Lean-Production-Paradigma sowie die eng verwandte Just-in-Time-Produktion die moderne Produktions- und Lieferkettenlogik maßgeblich geprägt. Vereinfacht gesagt besteht die Grundidee von Lean und Just-in-Time darin, die Effizienz von Produktionssystemen zu steigern, indem Pufferkapazitäten und Lagerbestände minimiert und dadurch Produktionskosten gesenkt werden.

Die Pandemie hat jedoch deutlich gemacht, dass dieser Effizienzgewinn auf Kosten der Resilienz eines Systems geht. Als Regierungen weltweit wirtschaftliche Aktivitäten herunterfuhren, um die Ausbreitung von Infektionen zu stoppen, brachen die globalen Lieferketten zusammen. Produktionssysteme, die auf dem Lean-Prinzip basierten, waren besonders anfällig, da kaum Lagerbestände oder Puffer vorhanden waren, um kurzfristige Störungen auszugleichen.

Resilienz bezeichnet im Kern die Fähigkeit eines Systems, Störungen zu absorbieren, Systemausfälle zu vermeiden und innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens in den Ursprungszustand zurückzukehren. Im Kontext des Resilience Engineerings werden zwei übergeordnete Strategien zur Erhöhung der Systemresilienz diskutiert: Redundanz und Flexibilität.

Redundanz und Flexibilität

Redundanz bedeutet, dass ein Produktionssystem Backup-Ressourcen besitzt, die dann zum Einsatz kommen können, wenn primäre Ressourcen ausfallen. Dies kann auf verschiedene Weise erreicht werden. Beispielsweise kann ein System unter Normalbedingungen mit 60–70 % Auslastung betrieben werden, um im Störungsfall die Produktion um 30–40 Prozentpunkte hochzufahren. Redundanz kann aber auch bedeuten, größere Lagerbestände zu halten, um bei Unterbrechungen von Materialflüssen oder Lieferketten flexibel reagieren zu können.

Die zweite Strategie zur Entwicklung resilienter Systeme ist die Erhöhung der Flexibilität. Diese kann durch Vernetzung und Integration verschiedener Produktionslinien und Komponenten erreicht werden – mit dem Ziel, ein System zu schaffen, in dem Ressourcen dynamisch umverteilt und skaliert werden können.

Das Aufkommen cyber-physischer Systeme und Technologien wie das Internet der Dinge (IoT), Cloud Computing, Big Data oder Künstliche Intelligenz (KI) bietet neue Ansätze und Tools, um die Flexibilität und Resilienz moderner Produktionssysteme zu erhöhen.

Digitale Technologien ermöglichen es Unternehmen nicht nur, Maschinen auf der Shopfloor-Ebene zu vernetzen, sondern ganze Liefernetzwerke zu integrieren. In solchen integrierten Systemen verlaufen Informationen nicht mehr unidirektional, sondern zirkulieren in alle Richtungen, bilden Feedback-Schleifen und machen die gesamte Lieferkette zu einem dynamischen Produktionsökosystem.

Herausforderungen für die Zukunft

Trotz verfügbarer Resilienzstrategien und Mechanismen zur Abmilderung von Störungen ist die Umsetzung resilienter Produktionssysteme eine komplexe Aufgabe. Der Aufbau von Resilienz bringt zahlreiche Zielkonflikte mit sich und erfordert spezifische organisatorische sowie technische Voraussetzungen.

Zum einen ist Resilienz nicht die einzige Zielvariable eines Produktionssystems. Auch Effizienz, Qualität, Kosten, regulatorische Anforderungen, Normen und Nachhaltigkeit müssen berücksichtigt werden. Darüber hinaus benötigen resiliente Systeme eine Reihe an organisatorischen Voraussetzungen, darunter das Commitment des Top-Managements, finanzielle Ressourcen, eine aktive Fehler- und Reporting-Kultur, technisches Know-How, Transparenz, Bewusstsein sowie den Zugang zu zuverlässigen Daten im gesamten Produktionsökosystem. Außerdem müssen Resilienzparameter und andere Zielgrößen messbar und klar definiert sein.

Da moderne Liefer- und Produktionssysteme nach dem Lean-Prinzip aufgebaut sind – mit Fokus auf Effizienz und Kostenreduktion durch geringere Lagerbestände und minimale Puffer – stellt sich die zentrale Frage: Wie können Lieferketten und Produktionssysteme neu organisiert werden, um das Gleichgewicht zwischen Effizienz und Resilienz wiederherzustellen? Sind Resilienz und die Lean-Production-Philosophie unvereinbar, oder gibt es Wege, beide Ansätze miteinander zu verbinden?

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